Zwergstaaten: Welche europäischen Staaten sind die kleinsten?

Im Märchen treten sie zu siebt auf, aber auf der Ebene der europäischen Geographie sind es nur sechs Zwerge. Die Tatsache, dass sie so klein sind, deutet allerdings nicht auf ihre Jugend hin. Denn bei den Zwerg- oder Kleinstaaten handelt es sich um Fürstentümer oder Republiken, die zu einer Zeit entstanden sind, als auch hierzulande noch Kleinstaaterei herrschte.

Als Deutschland noch zu den Zwergen zählte ...
Die deutschen Kleinstaaten nannte man im 18. Jahrhundert, als sie bereits von großen Nationalstaaten umringt waren auch Duodezstaaten. Eine spöttische Bezeichnung, denn Duodez ist der veraltete Name für ein Buchformat, das im übertragenen Sinne etwas unbedeutend Winziges bedeutet. Kleinstaaten, also souveräne Staaten mit einer festen Landmasse von weniger als tausend Quadratkilometern Fläche (ohne maritime Hoheitsgebiete), sind kein rein europäisches Phänomen. Doch bei den außereuropäischen Zwergen handelt es sich ausschließlich um Inselstaaten, die - mit Ausnahme des Stadtstaates Singapur, des arabischen Königreiches Bahrain sowie der zu Afrika gehörenden Inselgruppen Seychellen und São Tomé/Príncipe - in der Karibik gelegen sind oder zu Ozeanien gerechnet werden. Zu den europäischen Kleinstaaten zählt nur eine Inselrepublik. Der Rest setzt sich aus einer weiteren Republik, drei Fürstentümern und einem Sonderfall zusammen.

Vatikanstadt: Hier kann sogar der Geldautomat Latein
Bei diesem Sonderfall handelt es sich um die mitten in der italienischen Hauptstadt Rom gelegene Vatikanstadt, die mit einer Fläche von 0,44 Quadratkilometern und 552 Staatsbürgern gleichzeitig den kleinsten allgemein anerkannten Staat der Welt darstellt. Die Vatikanstadt, deren heutige Grenzen 1929 festgelegt wurden, ist ein Rest des ehemaligen, größeren Kirchenstaates und auch in dem Sinne ein Rudiment, dass hier ein Monarch, natürlich der Papst, nach wie vor absolut regiert. Auf internationaler Ebene wird der Zwergstaat durch den Heiligen Stuhl als nichtstaatliches eigenständiges und vom Staat der Vatikanstadt zu unterscheidendes Völkerrechtssubjekt vertreten. Das Staatsterritorium umfasst den von einer Mauer umgebenen vatikanischen Hügel sowie den Petersplatz.

So klein und doch alles da ...
Neben dem Petersdom, der sixtinischen Kapelle, dem Apostolischen Palast, weiteren Gebäuden und einem großen Garten, befinden sich in der Vatikanstadt auch ein (allerdings selten genutzter) Bahnhof, ein Supermarkt, ein Bekleidungsgeschäft, eine Apotheke, mehrere Tankstellen, eine Pizzeria, ein Café und ein Postamt (das eigene Briefmarken herausgibt), aber kein Hotel, kein Friseur und keine Schule. Die Geldautomaten im Vatikan haben eine lateinische Anzeige. Selbstredend zeichnet sich der winzige Staat durch den mit 100 % höchsten relativen Katholikenanteil der Welt aus, überraschenderweise aber auch durch die weltweit höchste Kriminalitätsrate, wenn die Anzahl der Straftaten in Relation zur Zahl der Einwohner gestellt wird. Dabei handelt es sich aber fast ausschließlich um Kleinkriminalität wie Handtaschendiebstähle, die dann zu 90 % unbestraft bleiben, weil die Missetäter nach Italien fliehen. Und noch eine Besonderheit: Die Vatikanstadt ist der einzige Staat der Welt, dessen gesamtes Territorium (seit 1984) von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt ist.

Monaco: Mondäner Felsen an der sonnigen Mittelmeerküste
Das mehr oder weniger mit seiner Hauptstadt Monte Carlo identische Fürstentum Monaco ist zwar mit einer Fläche von 1,95 Quadratkilometern mehr als viermal so groß wie die Vatikanstadt, aber dennoch der zweitkleinste Staat dieser Erde. Seine Winzigkeit macht der ganz von Frankreich eingeschlossene, zwischen Nizza und der Grenze zu Italien gelegene Felsenstreifen an der Riviera (Küstenlänge: 4,1 km) jedoch durch seinen Glamour mehr als wett. Denn Monaco ist bei den Schönen und Reichen dieser Welt als Wohnsitz sehr begehrt, da weder Erbschafts- noch Einkommenssteuer erhoben werden und im Ausland begangene Finanzvergehen nicht verfolgt werden. Dort lebende Franzosen bleiben allerdings steuerpflichtig, so dass deren Bevölkerungsanteil (immerhin 47 %, Italiener und Monegassen machen jeweils 16 % der Bevölkerung aus, die restlichen 21 % verteilen sich auf alle weiteren Nationalitäten) stark rückläufig ist.

Der engste Kleinstaat der Welt ...
Viel Platz ist in dem mit 17 000 Einwohnern (nur etwa 7600 davon sind Monegassen) am dichtesten besiedelten Staat der Welt ohnehin nicht. Dies hat auch dazu geführt, dass das winzige Territorium gnadenlos bis in den letzen Winkel bebaut ist. Regiert wird Monaco seit dem 13. Jahrhundert vom Fürstengeschlecht der Grimaldi, das sich im Laufe der Geschichte ständig mit der Republik Genua, aus der es ursprünglich stammt, sowie Frankreich und Italien um das kleine Herrschaftsgebiet stritt. 1911 ist die absolute in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt worden, auf die der französische Staat einigen Einfluss ausübt. Der seit 2005 amtierende Fürst Albert II. sowie seine Schwestern Caroline und Stéphanie gingen aus der 1956 geschlossenen Märchenehe zwischen Fürst Rainier und der Hollywoodschauspielerin Grace Kelley hervor. Von diesem Zeitpunkt an stand Monaco stets im Focus der internationalen Regenbogenpresse. Große Aufmerksamkeit zieht der Miniaturglitzerstaat aber auch durch sein berühmtes Spielkasino, das mondäne Hôtel de Paris, das - zeitweilig von Jaques Cousteau geleitete - Ozeanographische Museum, den in der französischen Liga sehr erfolgreichen Fußballverein AS Monaco, das Internationale Zirkusfestival sowie natürlich durch das seit 1955 jährlich in seinen Straßen veranstaltete Formel-1-Rennen auf sich.

San Marino: Friedliche Republik und beliebtes Ausflugsziel
San Marino, eine italienische, bei Rimini gelegene Enklave von 61 Quadratkilometern Größe und damit fünftkleinster Staat überhaupt, ist die älteste Republik der Welt mit einer Geschichte, die bis auf das Jahr 301 zurückgeht. Damals flüchtete der Namenspatron Marinus im Zuge der Christenverfolgung gemeinsam mit anderen Leidensgenossen auf den Berg Titano, den er, als sich die Lage wieder beruhigt hatte von einer römischen Patrizierin geschenkt bekam. Nach Marinus' Tod 366 begründete sich San Marino als Republik, der bis heute zwei parlamentarisch gewählte und nur für ein halbes Jahr amtierende "Capitani Reggenti" vorstehen.

Tourismus als Gelddruckmaschine
60 % aller Einnahmen des Landes stammen aus den Portemonnaies der jährlich mehr als zwei Millionen Touristen, die für Tagesausflüge aus den nahegelegenen Adriaorten Rimini und Pesaro in die malerische Hauptstadt San Marino kommen, um dort den Palazzo Publico, die drei Burgen sowie die neoklassische Basilika zu bestaunen und vom Monte Titano einen weiten Blick bis zum Meer zu genießen. Die größte Ortschaft des insgesamt 30 000 Einwohner starken Zwergstaates ist Serravalle (ca. 10 000 Einwohner). San Marino, seit 1992 UN-Mitglied, ist kein Steuerparadies, aber schuldenfrei und stellt laut der Weltgesundheitsorganisation WHO das Land mit der höchsten Lebenserwartung für Männer dar. Dabei ist die gesamte medizinische Versorgung kostenlos.

Liechtenstein: Alpine Finanzoase mit lädiertem Ruf
Das Fürstentum Liechtenstein, zwischen Österreich und der Schweiz am Ostufer des Alpenrheins gelegen, ist eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Basis. Hauptort ist Vaduz, wo momentan Fürst Hans Adam II. residiert. Die Amtsgeschäfte hat er aber bereits an seinen Sohn Erbprinz Alois übertragen. Liechtenstein, mit 164 Quadratkilometern sechstkleinstes Land der Erde, hat das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weltweit. Es liegt bei 169 000 Schweizer Franken pro Erwerbstätigem. Zwar wir der größte Teil des liechtensteinischen Bruttoinlandsproduktes in der Industrie (vor allem hochwertige Spezialprodukte) erwirtschaftet, jedoch spielt auch der Finanzsektor eine große Rolle. Das starke Bank-, das dubiose Treuhand- und Stiftungswesen sowie zahllose Briefkastenfirmen haben den Alpenzwergstaat vor allem bei Justizbehörden zahlreicher Länder inner- und außerhalb der EU in den Ruf gebracht, in erster Linie der Steuerflucht zu dienen. Ein Aspekt, der zuletzt im Zusammenhang mit der Affäre Zumwinkel zu großen Kontroversen mit Deutschland führte. Dabei ist Liechtenstein, wo auch Dialekte des Allemannischen gesprochen werden, der einzige Staat mit Deutsch als alleiniger anerkannter Amts- und Landessprache. Das Frauenwahlrecht wurde erst 1984 eingeführt - im dritten Anlauf.

Malta: Mini-Hollywood zwischen Sizilien und Nordafrika
Die Republik Malta, mit einer Fläche von 316 Quadratkilometern etwas kleiner als Bremen und knapp doppelt so groß wie Liechtenstein, verteilt sich auf die drei bewohnten Inseln Malta, Gozo und Comino sowie auf einige kleinere unbewohnte Inseln. Das maltesische Archipel (Gesamteinwohnerzahl: 410 000, vierthöchste Bevölkerungsdichte der Erde) liegt im Mittelmeer 85 km südlich von Sizilien und nur einige hundert Kilometer nördlich der afrikanischen Küste. Seine Geschichte reicht bis weit in die Antike zurück und ist eng mit dem Malteserritterorden verknüpft, der hier Festungsanlagen errichtete. 1798 eroberte Napoleon die Inseln, die ihm 1800 von den Briten wieder abgeknöpft wurden.

Raus aus dem Kolonialismus
Vom Status einer Britischen Kronkolonie konnte sich Malta, seit 1947 bereits demokratisch, erst 1964 befreien. 2004 trat die unter Wasserknappheit leidende Inselrepublik der EU als deren kleinster Mitgliedsstaat bei. Größte Einnahmequellen sind - neben dem Tourismus (40 %) - Landwirtschaft und Fischerei. Maltesisch, neben dem Englischen zweite Amtssprache, zählt zu den semitischen Sprachen, hat sich aus einem arabischen Dialekt entwickelt, weist aber auch Spuren des Englischen, Französischen, Spanischen und Italienischen auf. Malta ist eine der populärsten Film- und Fernsehkulissen der Welt und wird deshalb scherzhaft auch als das "mediterrane Mini-Hollywood" betitelt.

Andorra: Skiparadies und Luxuskaufhaus jenseits der Waldgrenze
Das zwischen Fankreich und Spanien hoch in den Pyrenäen gelegene Fürstentum Andorra ist mit einer Fläche von 468 Quadratkilometern der Riese unter den europäischen Zwergstaaten. Das Land stellt ein feudales Überbleibsel dar, das zunächst umstritten war, um sodann gemeinsam vom Bischof von Urgell (Spanien) und dem Grafen von Foix als Ko-Fürsten verwaltet zu werden. An die Stelle des Grafen traten später der französische König und schließlich der französische Staatspräsident. Das Co-Fürstentum, seit 1278 unabhängig und heute eine parlamentarische Demokratie, ist somit das einzige Land der Welt, bei dem gleich zwei ausländische Amtsträger die Funktion eines (allerdings rein repräsentativen) Staatsoberhauptes wahrnehmen. Mehr als ein Drittel Andorras liegt oberhalb der Waldgrenze, 65 Berggipfel übersteigen die 2000-Meter-Marke.

Andorra - ein Paradies in jeder Hinsicht
Von den knapp 83 000 Einwohnern, die sich vornehmlich in der Hauptstadt Andorra la Vella konzentrieren, sind nur 36 % andorranische Staatsangehörige, der Rest setzt sich aus Spaniern, Portugiesen und Franzosen zusammen. Nur ein Bruchteil der Bevölkerung ist wahlberechtigt, denn die Staatsbürgerschaft kann erst nach 25 Jahren Aufenthalt erworben werden. Amtssprache ist Katalanisch. Andorra, ein ausgewiesenes Ski-Paradies, lebt vor allem vom Tourismus und ist daneben wegen der niedrigen Umsatzsteuer sowie ? auch ganz paradiesisch - genereller Zollfreiheit als Handelsort für Luxusartikel berühmt. Einkommens-, Erbschafts- und Kapitalsteuer gibt es auch nicht - genauso wie einen Flughafen, Schienenverkehr oder Autobahnen.

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