Welche Torte ist die berühmteste?

Eine Torte (von italienisch torta, aus dem spätlateinischen torta = rundes Brot, Brotgebäck) ist, wie gleich einmal klargestellt werden sollte, kein Kuchen! Kuchen erfährt nämlich einen abschließenden Bachvorgang mit allen Zutaten, welcher bei der Torte tunlichst zu vermeiden ist, weil man sie damit ruinieren würde. Torten bestehen zwar aus gebackenen Bestandteilen, also aus Tortenböden, diese werden aber dann ohne nochmaliges Backen weiterverarbeitet.

Somit setzen sich Torten gewissermaßen aus zumeist mehreren übereinander gestapelten Kuchenschichten (Biskuit, Mürbeteig, Baiser etc.) zusammen, die anschließend mit Früchten, Cremes, Sahne, Quark, Marzipan und allem erdenklich anderen gefüllt werden. Je mehr und je kalorienreicher, desto besser. Zuletzt darf der Torte dann gerne noch eine Hülle aus Kuvertüre (Schokolade), Zuckerguss oder Marzipan verpasst werden. Naschkatzen, Schleckermäulchen und Kaffeetanten aus aller Herren Länder haben in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten mündlich darüber abgestimmt, welche Torten zu den berühmtesten und beliebtesten überhaupt zählen.


Süßigkeit mit Geschichte: Die Linzer Torte

Die Linzer Torte steht wegen ihres unsahnigen, leicht trockenen Charakters und einem abschließenden Backvorgang mit allen Zutaten arg unter Kuchenverdacht. Doch bügelt sie ihren zwielichtigen Ruf wieder mehr als aus durch die beeindruckende Tatsache, dass es sich bei ihr um die älteste Torte der Welt mit schriftlich fixierter Rezeptur handelt. Zwar ist das Rezept für die Linzer Torte nicht schon detailliert in der biblischen Genesis beschrieben, jedoch immerhin bereits 1653 - sogar in vierfacher Variation - im Koch- und Backbuch der Veroneser Gräfin Anna Margarita Sagramosa, welches folgenden leicht zu merkenden Kurztitel trägt: Buech von allerley Eingemachten Sachen, also Zuggerwerckh, Gewürtz, Khütten und sonsten allerhandt Obst wie auch andere guett und nützlich Ding etc. Durch die Frau Anna Margarita Sagramosin, geborne Gräffin Paradeiserin, mit grossen Fleisß mühe arbeit wie unkosten, vil Jar nach einander zusamen, geklaubt und beschreiben lassen.

Die Linzer Torte war allerdings ausschließlich eine Leckerei für besserverdienende Blaublüter wie die Gräfin, deren Geburtsname übrigens Tomate bedeutet, da die Barockzeit weder einen Aldi noch einen Lidl kannte. Der mit Nelke, Zimt, Muskat, Vanillearoma und Zitronensaft gewürzte Mürbteich der Linzer Torte bestand damals nämlich zu einem Drittel aus extrem kostspieligen Mandeln. Heute nimmt man lieber Haselnüsse, die vor dem Backen im Ofen geröstet, mit einem Sieb enthäutet und anschließend gemahlen werden - des richtigen Aromas wegen. Nachdem man den fertigen Teig auf 1-1,5 cm Dicke ausgerollt hat, werden daraus runde Tortenböden ausgestochen, die man mit einem dicken Klecks Ribislmarmelade (österr. für rote Johannisbeermarmelade) fein säuberlich bestreicht. Auf die Marmelade wird dann ein Teiggitter gelegt, das Wahrzeichen der Linzer Torte, die zum Schluss noch einen Teigrand bekommt, den man mit Eigelb bestreicht und mit Mandelsplittern bestreut. Nach dem Backen muss die Torte mindestens 24 Stunden ruhen. Ihren vollen Geschmack entfaltet sie ohnehin erst nach ein paar Tagen, vorher also Finger weg!


Ein Traum aus Buttercreme: Der Frankfurter Kranz

Diese klassische deutsche Torte erinnert sehr an die Nachkriegszeit und die das Wirtschaftswunderland in der 1950er Jahren überrollende Fresswelle. Denn sie ist vorwiegend aus einem Material gemacht, vor dem heutige Diätgerippe, Sushi-Fetischisten, Light-Produkt-Anbeterinnen und Fitnessstudio-Opfer panisch schreiend davonlaufen würden, nämlich aus der guten alten Buttercreme, zu deren Herstellung große Mengen an guter Butter nötig sind. Zunächst benötigt man für den Frankfurter Kranz, der, wie sein Name schon verrät, in Frankfurt (und zwar am Main) erfunden wurde, aber natürlich eine Kranzform. In dieser wird ein Sand- oder Biskuitteig gebacken, den man nach dem Erkalten horizontal in verschiedene Lagen zerteilen muss, wobei diese gern einmal auseinanderbrechen.

Warum diese Zerteilung? Natürlich damit man viel Buttercreme und gegebenenfalls auch etwas rote Konfitüre dazwischenbuttern kann. Der buttercremegeschwängerte Teigring wird anschließend von außen vollständig verkleistert und verspachtelt. Freilich mit Buttercreme, die man zuletzt mit Krokant und Mandelsplittern geschickt bemäntelt. Zur Dekoration des hochkalorischen Hessenrings, dessen unvorsichtiger Genuss zu Rettungsringen in der Bauchgegend führen kann, bietet sich selbstverständlich Buttercreme an, die man mit dem Spritzbeutel obenauf tüpfelt. In jeden Tüpfel gehört dann noch eine künstlich rote Belegkirsche. Das Auge sündigt ja schließlich auch mit.


Unverzichtbares Oster-Highlight: Die Cassata

"Kläglich, der an Ostern keine Cassata ißt", spricht der sizilianische Volksmund, in dem sie dann meistens verschwindet. Mit der Cassata alla siciliana (von arabisch qas'at, = runde Schüssel oder auch von torta di cacio = Käsetorte) haben sich aber auch bereits berufenere Münder beschäftigt und zwar durchaus nicht nur kauend. Denn auf der Synode von Mazara del Vallo im Jahre 1575 wurde, wie ein historisches Dokument zweifelsfrei belegt, mit heiligem Ernst und großer kirchlicher Autorität dekretiert, die Cassata sei "unverzichtbar beim Osterfest." Dieses Dogma rangiert in Sizilien noch heute weitaus höher als minder wichtige christliche Gebote wie etwa "Du sollst nicht töten!" Früher wurde die heilige Torte nur in Klöstern und Herrenhäusern hergestellt.

Anderen Quellen zufolge ist damals den Klosterfrauen die Zubereitung der Cassata in der Osterwoche verboten worden, da diese sie über Gebühr von Gebet und innerer Einkehr abhielt. Das süße Glaubensbekenntnis besteht übrigens aus einer Creme aus Ricotta und Zucker, die abwechselnd mit Pan di Spagna, einer Biskuitart, in eine Schüssel oder Form geschichtet und gut gekühlt, gestürzt und mit einer Glasur aus Zucker oder Schokoladencreme überzogen, serviert wird. Dekoriert wird der leckere Gottesdienst mit kandierten Früchten und Mustern aus farbiger Zuckerglasur. Je nach Rezept werden der Cassata noch Pistazien oder Pinienkerne, Stückchen von Bitterschokolade, Zimt, Orangenblütenwasser, Maraschino oder Likör aus Orangen hinzugegeben. Der echten Cassata ist eine gleichnamige, in Italien und der Schweiz sehr beliebte, Eisbombe nachempfunden, die aus Vanille-, Himbeer- und Schokoladeneis sowie kandierten Früchten besteht.


Wienerisches Weltkulturerbe: Die Sachertorte

Die Sachertorte ist wahrscheinlich die berühmteste Torte der Welt, doch die Geschichte dieses verzehrbaren österreichischen Nationaldenkmals ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Zwistigkeiten. Ihre Geburtsstunde datiert auf das Jahr 1832. Mit den welthistorisch bedeutsamen Worten "Dass er mir aber keine Schand' macht, heut Abend!" erteilte nämlich damals Fürst Metternich höchstselbst seiner Hofküche den Auftrag, für ihn und seine illustren Gäste ein besonders leckeres Dessert zuzubereiten. Dummerweise lag aber gerade an diesem Abend der Chefkoch krank im Bett. Und so fiel dem erst 16-jährigen Küchenlehrling Franz Sacher die verantwortungsvolle Aufgabe der Nachtischgestaltung zu und - Gott sei Dank - die rettende Schokotorte ein. Später machte sich Franz? Sohn Eduard Sacher mit einem eigenen Hotel selbständig, womit selbstverständlich das mittlerweile legendäre Hotel Sacher gemeint ist. Und damit begann eine jahrzehntelange, mit äußerster Erbitterung geführte Tortenschlacht um die Namensrechte an der braunen Süßigkeit, die Wien in zwei feindliche Lager spaltete und schließlich 1963 mit einer außergerichtlichen Einigung endete.

Seitdem darf sich die im Hotel Sacher fabrizierte Sachertorte offiziell als Original-Sachertorte bezeichnen, während das berühmte dreieckige Siegel der "beim Demel" feilgebotenen Sachertorte zunächst die Aufschrift Eduard-Sacher-Torte zierte. Mittlerweile nennt sich die Demel-Sachertorte offiziell Demel?s Sachertorte, wird aber vom naschsüchtigen Volksmund häufig auch als Echte Sachertorte gierig verschlungen. Demnach konkurriert also nunmehr eine Orignal-Sachertorte mit einer Echten Sachertorte darum, welche von ihnen die originalere bzw. echtere ist.

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